Über seine „wilden Jahre“ im Waldviertel

Es hat mich hier her verschlagen durch eine Freundin, die hier im Zweitwohnsitz mit ihren Eltern lebt. Unsere Theatergruppe kannte sich vom Reinhard Seminar, wir haben dort Schauspiel und Regie studiert. Auf der Suche nach einem Ort, wo wir im Sommer Theater spielen können, sind wir hier im Waldviertel gelandet.  Wir wohnten anfangs in Hörmanns an der Quelle des Herrensees gemeinsam in einem Dachboden, und übernahmen dort einen vererbten Haushalt. 

Dann begannen wir hier zu spielen, d.h. zu arbeiten. Der Tag war ausgefüllt mit Aufgaben für das ganze Ensemble, auch Kochen und Abwaschen. Das hat begonnen mit Aufwärmübungen in der Früh, den Tag zu begrüßen, mit einem Frühstück und mit den Proben. Wenn man dann am Abend beim Lagerfeuer sitzt und sagt „machen wir noch einmal den Text“, dann bekommt das eine eigene Authentizität.

So hat es hier angefangen – wild – die musikalische Begleitung war unter anderem Hardrock, Heavy Metal z.B. Jimmy Hendrix und The Doors. Als Truppe von Anfang Zwanzigjährigen, die begann hier Theater zu spielen, hatten wir ein schönes Leben.
Damals war auch die Haartracht noch eine wildere, meine Haarstil wechselte von hüftlang zu kürzeren Haaren bis zu meiner heutigen Frisur.

Unsere erste Bühne wurde an einem schönen Platz am Herrensee im alten Strandbad errichtet, das damals nur aus einer alten Pawlatschen und Kabinen bestand (gekürzt).

 

Fixe Idee einer „Waldviertler Kulturveranstaltung“?

Nein, am Anfang stand keine „fixe Idee“. Wir verdanken das Festival zum Teil auch dem Zufall, viel Glück und den richtigen Menschen, die am richtigen Ort zusammengefunden haben. So hat sich etwas Einzigartiges entwickelt, das nicht so leicht wiederholt werden kann. Wir haben zudem viel gelernt in diesen Jahren, auch an welchen Schrauben gedreht werden muss, um das Ganze noch besser zu machen – und das ist vielleicht schon zu einer gewissen Obsession geworden.

 

„Gehobene“ Kultur in das Waldviertel tragen? Warum „Lysistrata“? 

Was ist „gehobene Kultur“? Ich glaube nicht an die Unterscheidung in „gehobene“ und „niedere“ Kultur. Kultur ist was mit Menschen passiert, die zusammenkommen und kreativ werden und das Ganze mit ihrer Region und Tradition verbinden – und auch mit Visionen.

Dabei gilt es die Spannung zwischen Tradition, Vision und Erneuerung zu nutzen und zu überbrücken. Es hat sich bald gezeigt, dass hier Menschen leben, die an unserem Vorhaben Gefallen fanden.

Lysistrata“ als erstes Stück war für uns zündend, weil wir damit gleich zu Beginn die Nähe und Interaktion mit dem Waldviertler Publikum gesucht haben. Wir wollten dazu Männer und Frauen im Publikum trennen, um die Reaktionen auf der Frauen Lacher Seite und der Männer Lacher Seite entsprechend dem Thema der Komödie ersichtlich zu machen. Es geht im Stück darum, dass die Frauen ihre Männer dazu zwingen, das Kriegführen zu beenden, in dem sie sich sexuell enthalten. Das wäre vielleicht heute auch wieder zu probieren.

 

Über die „organisiert Wilden“ der Theatergruppe

Also die „Wilden“ kannten sich schon aus früheren Theaterproduktionen, die hier vorher realisiert wurden. D.h. wir wussten genau, was wir wollten, wir waren „organisiert wild“. Das waren Andreas Mathes als Bühnenbildner und Anfangs auch als technischer Leiter, Dieter Gebetsberger als technischer Leiter und Sabine Wiesenbauer als Lichtdesignerin, die einfach ein zauberhaftes Licht schafft. Wir hatten bereits tolle Produktionen auf die Beine gestellt, z.B. die Sommernachts Sex Komödie von Woody Allen.

Alle mit unterschiedlichen Charakteren, die versuchten sich eine Vision des Festivals vorzustellen und die sich gut ergänzten: Andreas Mathes als Künstler und Designer, Dieter Gebetsberger natürlich als Realist, der auf die Sicherheit achtet und schaut, dass die Techniker irgendwann zum Schlafen kommen und ich als derjenige, der versucht alles zusammenzuhalten und eine Balance zu schaffen.

So sind mit einfachsten Mitteln wunderschöne Szenarien entstanden, die über die Jahre weiter verfeinert wurden.

 

Über Ideen und eiserne Nerven

Ideen zu haben ist die eine Sache, Ideen umzusetzen ist dann die andere Sache. Es geht darum die Vision einzufangen und auch in Worte zu fassen und den Realismus zu besitzen, sie mit Menschen zu teilen und sie gemeinsam in die Tat umzusetzen.
Die Ideen zum Theater im Waldviertel und auch zum Schrammel.Klang Festival waren schon greifbar und es hat mich keine schlaflosen Nächte gekostet. Es war Lust und Freude etwas verwirklichen zu können.

Dazu ist es wichtig zu wissen, ich hatte schon einen Bühnenverlag und damit ein Auskommen. Meine Familie war zu der Zeit noch nicht gegründet, d.h. ich hab nicht viel gebraucht. Das war dadurch sehr entspannt. Die Nächte waren schlaflos, wenn wir am Lagerfeuer Wein tranken und sagten „lass uns dies und das probieren“. Wir waren eigentlich sehr naiv, das ist, wie wenn man ein Haus baut. Nachher sagt man „nie wieder“, vorher kann man sich überhaupt nicht vorstellen, wo es hinführt. Aber plötzlich steht man mitten drinnen, ich erlebe das als großen Rausch, die Festivals, und der geht auch über auf das Publikum.

Zwischenfrage: wie lange warst du denn Gestern auf?
Gestern war ich auf den Beinen bis halb drei in der Früh. Ja, Nachtwanderung heißt bis in der Früh durchstehen. Harry Guggenberger hat einen schönen Satz über sein Waldviertler Hoftheater geschrieben: Ned darennen wollen, darstehen musst es können. Es ist wichtig nicht gleich am Ziel anzukommen, den Weg zu akzeptieren und zu genießen lernen.

Für mich war einer der schönsten Momente, als unser von Elektrobooten gezogenes Bühnen-Floss zum Ersten Mal abgelegt hat und gleichzeitig auf allen Bühnen das Spiel begann. Der Moment, als die Idee aufgegangen ist, die man vorher hatte, und man sieht es, man kann nicht mehr eingreifen, will auch nicht eingreifen, es passiert einfach und das Festival beginnt zu laufen.

Interview Teil 1 | Teil 3 | Video

 

Zeno Stanek:

Gründer und Intendant des Schrammel.Klang.Festival ab 2007 in Litschau am Herrensee. 
1992 Regiestudium am Max Reinhardt-Seminar. 1993 Gründung des Theater BRAUHAUS in Hörmanns/Waldviertel. Seit 1998 Leitung des Familienunternehmens Kaiser & Co. GesmbH.
Bis 2018 Intendant der Festspiele Stockerau, danach Gründung des Theaterfestival HIN & WEG – Tage für zeitgenössische Theaterunterhaltung in Litschau.
 

 

Zurück zur Fotoreportage